Im Jahr 2007 wurde der Straftatbestand der Nachstellung, wie das Stalking vom Gesetz bezeichnet wird, in § 238 im Strafgesetzbuch (StGB) eingeführt.
Zehn Jahre später, zum 10.03.2017, hat der Gesetzgeber Nachbesserungsbedarf gesehen und eine Neuregelung des Stalkings vorgenommen.
Im Folgenden sollen die Änderungen bei der Stalking-Strafbarkeit dargestellt werden.
1. Wie war es früher?
Nach der alten Fassung des § 238 StGB hat sich strafbar gemacht, wer einem Menschen unbefugt nachstellt und dadurch dessen Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. Problematisch an dieser alten Fassung war die Voraussetzung der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung. Eine solche Beeinträchtigung wurde erst angenommen, wenn das Opfer des Stalkings sein Leben wegen des Verhaltens des Täters erheblich ändern musste. Solche Änderungen waren beispielsweise gegeben, wenn das Stalkingopfer wegen des Stalkers umziehen musste, seinen Arbeitsplatz wechselte, stets seine Wohnung verdunkelte oder sich nur noch in Begleitung einer weiteren Person seine Wohnung verließ. Nur wenn das Opfer solche Änderungen vornahm, war das Nachstellen des Täters strafbar. Dies hatte zur Folge, dass auch gravierende Übergriffe in den Lebensbereich des Opfers nicht verfolgt werden konnten, wenn die betroffene Person sich einen Umzug oder Wechsel des Arbeitsplatzes nicht leisten konnte und deshalb weiterhin die Nachstellungshandlungen des Täters erleiden musste.
2. Warum ist die alte Regelung nicht ausreichend?
Stalking ist für jeden Betroffenen eine schwere Belastung. Durch sein Verhalten greift der Täter die persönliche Freiheit des Opfers an und dringt in seinen persönlichen Lebensbereich ein.
Ein solcher Angriff auf die persönliche Freiheit ist jedoch für ein Opfer von Stalking immer eine schwere Belastung. Auch wenn es nicht umzieht oder seinen Arbeitsplatz wechselt, ist ein Stalkingopfer immer in seiner Lebensführung eingeschränkt und leidet hierunter. Eine Änderung der Lebensweise als Voraussetzung der Strafbarkeit belastet das Opfer sogar noch mehr. Es erscheint also ungerecht, dass das Opfer von Stalking, was sowieso schon unter dem Verhalten des Täters schwer leidet, zusätzlich eine Veränderung in seiner Lebensweise vornehmen muss, bevor der Täter bestraft werden kann.
Es war somit erforderlich, eine Regelung zu schaffen, die das Täterverhalten unter Strafe stellt, ohne dass das Opfer zuvor gravierende Änderungen seiner Lebensweise vornehmen muss.
Dieses Problem hat nun auch der Gesetzgeber erkannt, welcher eine Neuregelung des Stalking-Paragraphen vornahm. Ausschlaggebend für die Einsicht des Gesetzgebers waren Berichte von Opferverbänden, welche das Leid der Stalkingopfer aufzeigten. Außerdem ergab sich ein Änderungsbedarf aus den Erfahrungen der Strafverteidigerpraxis. So wurden zuvor nur 200 – 560 von 20.000 angezeigten Stalkinghandlungen verurteilt.
3. Was ist neu bei der Stalking-Strafbarkeit?
Juristisch gesagt: § 238 StGB hat sich mit der neuen Gesetzesfassung in ein Gefährdungsdelikt in Form eines so genannten abstrakten Eignungsdelikts gewandelt. Aber was bedeutet das in Nichtjuristen-Deutsch?
Nach der neuen Fassung des Stalking-Paragraphen reicht es nun aus, dass das Verhalten des Täters dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Es ist in hingegen nicht mehr erforderlich, dass das Opfer zusätzlich Änderungen in seiner Lebensweise vornehmen muss, damit das Verhalten des Täters bestraft werden kann.
Für die Beurteilung, ob das Verhalten des Täters dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers zu beeinträchtigen, gibt es mehrer Anhaltspunkte. So muss das Verhalten z. B. einen gewissen Grad an psychischen Druck auf das Opfer erzeugen. Als Indizien für einen solchen Druck werden die Häufigkeit, Kontinuität und die Intensität der Handlungen des Täters berücksichtigt. Außerdem werden die beim Opfer evtl. schon eingetretenen Änderungen der Lebensumstände sowie psychische und körperliche Folgen des Stalkings beim Opfer als Anhaltspunkte für einen psychischen Druck gewertet.
Entscheidend für die Geeignetheit des Täterverhaltens ist also, ob die Stalkinghandlungen so gravierend sind, dass sich jede Person wegen des Stalkings zu einer schwerwiegenden Änderung seiner Lebensumstände veranlasst fühlen muss.
Allerdings ist eine einzelne Stalkinghandlung alleine noch nicht strafbar. Stattdessen müssen mehrere Handlungen des Täters in der Gesamtschau geeignet sein, die Lebensgestaltung des Opfers zu beeinträchtigen. Diese Handlungen müssen schrittweise und zunehmend zur Beeinträchtigung des Opfers führen. Es kommt beim Stalking also darauf an, ob das Verhalten des Täters über eine einzelne Handlung hinausgeht und die Gesamtheit einzelner, sich wiederholender Taten, für eine Beeinträchtigung des Opfers geeignet ist.
Damit das Verhalten des Täters strafbar ist, muss dieser außerdem mindestens mit bedingtem Vorsatz handeln. Das ist der Fall, wenn sich der Täter bewusst ist, dass sein Verhalten zu einer gravierenden Änderung der Lebensgestaltung des Opfers führen kann, und er sich damit abfindet.
Weil ein solcher Vorsatz schwer zu beweisen ist, stellen die Gerichte bei der Beurteilung, ob Vorsatz vorliegt, auf Indizien ab. Solche Indizien sind z. B. ein vehement abwehrendes Verhalten des Opfers oder Hinweise auf eine Änderung der Lebensumstände des Opfers.
4. Welche Möglichkeiten haben Opfer von Stalking, um dagegen vorzugehen?
Der erste Schritt für Betroffene von Stalking ist es, Strafanzeige zu erstatten.
Aufgrund des alten Rechts war es möglich, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen einen Stalking-Täter einstellte und das Opfer auf den Privatklageweg verwies. Das bedeutet, dass das Opfer an die Stelle der Staatsanwaltschaft treten und selbst Anklage vor dem Gericht erheben musste. Ermöglicht wurde ein solches Vorgehen durch § 374 der Strafprozessordnung (StPO), welcher unter anderem das Stalking für die Privatklage vorsah.
Seit der Gesetzesänderung ist der Verweis auf die Privatklage aufgrund § 374 StPO nicht mehr möglich. Damit muss die Staatsanwaltschaft nach Beendigung der Ermittlungen bindend entscheiden, ob sie das Verfahren endgültig einstellt oder Anklage erhebt.
Neben der Strafanzeige können Opfer von Stalking außerdem bei Gericht einen Antrag nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) stellen. Hiermit wird beantragt, dass das Gericht Maßnahmen anordnet, welche weitere Stalkinghandlungen verhindern sollen. Solche Maßnahmen sind z. B. die Anordnung, dass es der Täter unterlässt, das Stalkingopfer weiter aufzusuchen oder sich in einem bestimmten Umkreis zum Opfer aufzuhalten. Gibt das Gericht einem solchen Antrag statt, sind die Anordnungen des Gerichtes für den Täter bindend.
Ein Verstoß des Täters gegen die Anordnung kann gem. § 4 GewSchG mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden.
5. Fazit
Man kann sagen, dass die Neuregelung der Stalking-Strafbarkeit positiv ist. Durch die neuen Regelungen ist das Verhalten eines Stalkers bereits strafbar, bevor das Opfer gravierende Änderungen in seiner Lebensgestaltung vornehmen muss. Dies führt zu einer emotionalen Entlastung des Opfers und einer schnelleren Verfolgung des Täters.
(Mai 2017)